Verkehrszivilrecht

In systematischer Hinsicht wird das Verkehrszivilrecht gegliedert in das Verkehrshaftungs- und das Verkehrsvertragsrecht.

1.) Verkehrshaftungsrecht

Dieses Rechtsgebiet behandelt die Frage der Haftung bei Verkehrsunfällen. Für einen Geschädigten sieht das Gesetz verschiedene Anspruchsgrundlagen (§§ 7 ff. StVG und §§ 823 ff. BGB) vor, um den entstandenen Schaden vom Unfallverursacher oder vom Halter des gegnerischen Kraftfahrzeuges ersetzt zu verlangen. Diese Ansprüche stehen grundsätzlich nebeneinander (§ 16 StVG).

a) Halterhaftung

Nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers zum Schadenersatz verpflichtet, wenn bei dem Betrieb des Kraftfahrzeuges oder Anhängers ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird.

Diese Vorschrift enthält eine sog. Gefährdungshaftung. Die Haftung des Halters eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers besteht damit unabhängig von der Frage der Schuld des Halters an einem Schadenereignis. Die Gefährdungshaftung beruht auf dem Gedanken, dass der Halter erlaubterweise eine Gefahrenquelle für andere eröffnet und daher „als Preis dafür“ (so etwa BGH, Urt. v. 26.04.2005 – Az. VI 168/04) für einen Schaden einzutreten hat, der aus der Eröffnung der Gefahrenquelle – nämlich dem Betrieb des Kraftfahrzeuges – entsteht. Um sicherzustellen, dass der Verletzte seinen Schaden (wirtschaftlich) ersetzt bekommt, besteht gemäß § 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) grundsätzlich die Pflicht eines jeden Halters, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Der Halter darf nicht gleichgesetzt werden mit dem Eigentümer des Fahrzeuges (vgl. etwa § 17 Abs. 3 Satz 3 StVG). Zwar wird in vielen Fällen der Eigentümer zugleich der Halter sein. Allerdings ist kommt es für die Frage der Haltereigenschaft nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Fahrzeug an. Halter ist nach der Rechtsprechung derjenige, der das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung gebraucht, nämlich Kosten bestreitet und die Nutzungen aus dem Gebrauch zieht. Demnach ist etwa der Leasingnehmer und nicht der Leasinggeber (z.B. die Bank) Halter des Fahrzeuges. Des Weiteren kann etwa der Ehegatte Halter des Fahrzeugs sein, wenn dieser es auf eigene Rechnung hält, auch wenn das Fahrzeug im Eigentum des anderen Ehegatten steht.

Eine Haftung des Halters ist allerdings ausgeschlossen, wenn ein Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde. Hierbei handelt es sich nach der Rechtsprechung um ein „außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter, betriebsfremder Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen werden braucht“ (vgl. BGH, Urt. v. 16.10.2007 – Az. VI ZR 173/06). Beispiele höherer Gewalt sind etwa Naturkatastrophen (Erdbeben, Lawinen etc.) oder aber auch die Verletzung eines Fußgängers, der in Selbstmordabsicht vor ein Kraftfahrzeug läuft (vgl. LG Leipzig, Urt. v. 22.06.2012 – Az. 1 O 4005/11).

Weitere Fälle, in denen die Haftung des Halters ausgeschlossen ist, folgen aus § 8 StVG. Den Halter trifft hiernach keine Haftung aus § 7 StVG,

– wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als zwanzig Kilometer in der Stunde fahren kann, oder durch einen im Unfallzeitpunkt mit einem solchen Fahrzeug verbundenen Anhänger,

– wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs oder des Anhängers tätig war oder

– wenn eine Sache beschädigt worden ist, die durch das Kraftfahrzeug oder durch den Anhänger befördert worden ist, es sei denn, dass eine beförderte Person die Sache an sich trägt oder mit sich führt. 

b) Haftung des Fahrzeugführers

Die Haftung des Fahrzeugführers, also desjenigen, der das Fahrzeug lenkt und dessen maschinelle Einrichtungen bedient, richtet sich nach § 18 StVG sowie nach § 823 BGB.

Die Vorschrift des § 18 StVG enthält eine Haftung des Fahrers für vermutetes Verschulden. Das bedeutet, es wird zunächst von einer schuldhaften Verursachung des Unfalls durch den Fahrer ausgegangen. Dieser hat allerdings die Möglichkeit, sich zu entlasten, indem er nachweist, dass er die gewöhnliche Sorgfalt im Straßenverkehr beachtet hat.

Die Regelungen des § 823 BGB enthalten ebenfalls eine Verschuldenshaftung. Im Unterschied zu § 18 StVG wird insoweit ein Verschulden jedoch nicht vermutet. Vielmehr ist das Verschulden durch denjenigen, der einen Anspruch aus § 823 BGB geltend macht, darzulegen und zu beweisen.

c) Unfall bzw. Schadenverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge

Häufig wird ein Schaden nicht durch einen einzelnen Fahrer bzw. dessen Fahrzeug verursacht, sondern durch einen Zusammenstoß zweier oder mehrerer Fahrzeuge. In diesem Fall richtet sich die Haftung des Halters bzw. Fahrers danach, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1 StVG). Entscheidend ist hierbei die sog. Betriebsgefahr, also die Bewertung der Umstände, die zum Schadenereignis geführt haben (Maß der Verursachung). Ausgeschlossen ist eine Haftung jedenfalls dann, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht und der Halter bzw. Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat (sog. „Idealfahrer“).

d) Zu ersetzende Schadenspositionen

Ist die Haftung dem Grunde nach geklärt, steht also fest wer Schadenersatz zu leisten hat, stellt sich die Frage, wie, welche und in welcher Höhe dem Geschädigten Schäden zu ersetzen sind. Als zu ersetzende Schadenspositionen kommen zum Beispiel in Betracht:

– Reparaturkosten (fiktive oder konkrete Schadenabrechnung)

– Ausfallkosten (Mietwagenkosten, Nutzungsausfall, ggf. Vorhaltekosten)

– Rechtsanwalts- oder Gutachterkosten

– Standkosten

– Finanzierungskosten

– Abschleppkosten

– Schmerzensgeld

Ob, wie und in welcher Höhe die einzelnen Schadenspositionen zu ersetzen sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Gerne stehen wir Ihnen hier zur Verfügung.

2.) Verkehrsvertragsrecht

Beim Kauf, der Anmietung bzw. beim Leasing oder der Reparatur von Fahrzeugen können mitunter einige Besonderheiten bestehen, die es zu beachten gilt.

a) Kaufrechtliche Besonderheiten

So können etwa dem Kauf eines Neu- oder Gebrauchtwagens spezielle AGB – NWVB (Neuwagenverkaufsbedingungen) oder GWVB (Gebrauchtwagenverkaufsbedingungen) – zugrunde liegen. Eine Besonderheit besteht beim Neuwagenkauf nach den NWVB zum Beispiel in der dreiwöchigen Bindungsfrist des Kaufangebots – also die verbindliche Bestellung – durch den Käufer. Dieser bleibt drei Wochen an sein Angebot gebunden. Der Verkäufer kann in dieser Zeit das Angebot des Käufers entweder annehmen oder ablehnen.

Eine Frage des Verkehrsvertragsrechts im Zusammenhang mit dem Kauf von Fahrzeugen stellt des Weiteren auch die Problematik rund um den sog. Abgasskandal, also den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung  bei der Abgasaufbereitung durch die verschiedenen Fahrzeughersteller, dar. Neben Anspruchsgrundlagen aus dem Deliktsrecht (etwa nach § 826 BGB wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung) kommt hier insbesondere auch das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht (Rücktritt oder Schadenersatz) zur Anwendung.

b) Leasing- bzw. mietrechtliche Besonderheiten

Das Leasing von Fahrzeugen kann deshalb zu besonderen Problemen führen, weil meist drei-Personen-Konstellationen (bestehend aus dem Händler, dem Leasinggeber und dem Leasingnehmer) vorliegen. Üblicherweise werden im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer die mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen und im Gegenzug kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche des Leasinggebers gegen den Händler an den Leasingnehmer abgetreten. Kann der Leasingnehmer zum Beispiel das Fahrzeug aufgrund eines Sachmangels nicht nutzen, stellt sich die Frage, ob der Leasingnehmer weiterhin zur Zahlung der Leasingraten verpflichtet ist oder die Zahlungen einstellen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist dies grundsätzlich erst dann möglich, wenn der Leasingnehmer gegenüber dem Händler den Rücktritt erklärt hat und der Händler diesen entweder akzeptiert oder Klage gegen den Händler auf Rückabwicklung erhoben hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.06.2010 – Az. VIII ZR 317/09).

Weitere Probleme ergeben sich oftmals am Ende der Leasingzeit, sei es, dass der Leasinggeber das Fahrzeug verspätet zurückgibt oder, dass bei der Rückgabe Schäden am Fahrzeug durch den Händler behauptet werden und vom Leasingnehmer Schadenersatz verlangt wird.

c) Besonderheiten bei der Fahrzeugreparatur

Problemträchtig sind schließlich oftmals Sachverhalte betreffend die Reparatur von Fahrzeugen. Fahrzeugreparaturverträge sind Werkverträge im Sinne von § 631 BGB. Im Gegensatz zu einem Dienstvertrag, bei welchem die Leistung als solche geschuldet ist, schuldet „die Werkstatt“ grundsätzlich eine erfolgreiche Reparatur. Eine Ausnahme besteht allerdings etwa, wenn noch nicht klar ist, um welchen Defekt es sich handelt. Dann muss zunächst die Fehlerursache ermittelt werden. In der Regel stellt dies einen Auftrag bzw. einen Dienstvertrag dar, sodass die Überprüfungsarbeiten unabhängig vom Ergebnis der Fehlersuche zu vergüten sind.

Gegenstand von Streitigkeiten im Rahmen von Fahrzeugreparaturverträgen ist meist die Frage der einwandfreien Reparaturleistung und damit im Zusammenhang stehend die Sachmangelhaftung des Unternehmers, die Überschreitung des Kostenvoranschlages oder im Falle einer fehlenden Vergütungsabrede die Höhe der nach § 632 Abs. 2 BGB geschuldeten (üblichen) Vergütung.