Verkehrsstrafrecht

1.) Ermittlungsverfahren und Verhalten gegenüber Strafverfolgungsbehörden

Sollten Sie Beschuldigter einer (Verkehrs-) Straftat sein, ist die oberste Regel, die unter allen Umständen beachtet werden sollte, gegenüber der Polizei oder der Amts- bzw. Staatsanwaltschaft keine Angaben zur Sache zu machen und unverzüglich Kontakt mit einem Rechtsanwalt aufzunehmen. Aus Ihrem (Recht zu) Schweigen können keine Nachteile entstehen. Nachteile können vielmehr dann entstehen, wenn Sie sich äußern.

Bereits im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens werden die Weichen für eine erfolgreiche Verteidigung gelegt. Grundlage einer erfolgreichen Verteidigung ist zunächst in Erfahrung zu bringen, welchen Informationsstand die Strafverfolgungsbehörde (Amts- oder Staatsanwaltschaft) hat und ob sich hieraus ein hinreichender Tatverdacht, der zur Anklageerhebung führen kann, ergibt oder ergeben kann. Die Informationsbeschaffung erfolgt grundsätzlich durch Akteneinsicht des Rechtsanwalts in die Ermittlungsakte.

Liegt von Anfang an kein hinreichender Tatverdacht vor oder kann dieser ausgeräumt werden, hat die Amts- oder Staatsanwaltschaft das Verfahren einzustellen. Besteht hingegen ein hinreichender Tatverdacht, liegt also eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass es nach der vorliegenden Sach- und Rechtslage im Falle einer Anklage zu einer Verurteilung kommen wird, muss dies nicht zwangsläufig auch tatsächlich zu einer Anklageerhebung führen. Es besteht hier vielfach die Möglichkeit, noch in diesem Verfahrensstadium auf die Amts- oder Staatsanwaltschaft einzuwirken und eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen. Die Einstellung kann auflagen- bzw. weisungsfrei erfolgen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht (§ 153 StPO). Liegen diese Umstände (geringe Schuld und fehlendes öffentliches Interesse an der Verfolgung) nicht vor, kann in gewichtigeren Fällen auch eine Einstellung unter Auflagen und Weisungen erfolgen (§ 153a StPO). Als Weisung kommen hier insbesondere die Teilnahme an einem Aufbauseminar (für Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe) oder an einem Fahreignungsseminar (für Inhaber einer allgemeinen Fahrerlaubnis) in Betracht.

2.) Verkehrsstrafprozess

Verkehrsstrafprozesse werden entweder eingeleitet durch eine Anklageerhebung oder durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls der Amts- bzw. Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht. Im letzteren Fall liegt die Besonderheit vor allem darin, dass vor Erlass des Strafbefehls keine mündliche Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme durchgeführt wird. Hält das Gericht einen hinreichenden Tatverdacht für gegeben, so gibt es dem Antrag der Amts- oder Staatsanwaltschaft statt und erlässt den Strafbefehl. Wird nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls Einspruch erhoben, wird der Strafbefehl rechtskräftig und das Verfahren ist beendet. Wird gegen den Strafbefehl oder auch nur hinsichtlich bestimmter Beschwerdepunkte Einspruch eingelegt, so entspricht das weitere Verfahren demjenigen, wie wenn von Anfang an Anklage durch die Amts- oder Staatsanwaltschaft erhoben worden wäre und das Gericht das Verfahren eröffnet hätte. Es findet dann eine mündliche Hauptverhandlung vor Gericht statt, an dessen Ende entweder eine Verurteilung, ein Freispruch oder auch die Einstellung des Verfahrens steht. Der Einspruch kann im Falle einer verhängten Geldstrafe auch lediglich auf die Tagessatzhöhe (nicht Anzahl) beschränkt werden. Dann kann das Gericht auch durch Beschluss, also ohne mündliche Hauptverhandlung, entscheiden.

Wird der Tatvorwurf bestritten, ist das grundsätzliche Ziel der Verteidigung der Freispruch. In bestimmten Konstellationen bietet sich allerdings auch die Hinwirkung auf eine Einstellung des Verfahrens an, entweder unter Auflagen und Weisungen oder auch auflagen- und weisungsfrei. In Fällen, in welchen der Tatvorwurf nicht bestritten werden soll oder kann, kommt unter Umständen auch eine Verständigung mit dem Gericht und der Amt- bzw. Staatsanwaltschaft in Betracht. Diese hat insbesondere das Ziel die Rechtsfolgen – also das Strafmaß – zu mildern.

Wegen der nachfolgend unter 3.) aufgezeigten möglichen Konsequenzen im Falle einer Verurteilung und den häufig in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht komplexen Fragestellungen, die sich in Verkehrsstrafprozessen stellen, ist ein Rechtsanwalt dringend zu empfehlen. Dies gilt insbesondere, wenn bereits die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde und durch eine Verurteilung ein endgültiger Entzug der Fahrerlaubnis droht. Als eine u.a. auf die Strafverteidigung und das Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung und Kompetenz zur Seite!

3.) Mögliche Konsequenzen einer Verurteilung

Als Rechtsfolge der Verwirklichung der (Verkehrs-) Straftat sieht das Gesetz eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe vor. Welche Strafe in welcher Höhe verhängt wird, richtet sich zuvörderst nach der Schuld des Täters, wobei die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen sind. Es findet eine umfassende Abwägung aller Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, statt.

a) Fahrverbot

Als Nebenstrafe zur Geld- oder Freiheitsstrafe kann gemäß § 44 StGB ein Fahrverbot von einem bis sechs Monate verhängt werden. Bis August 2017 konnte ein Fahrverbot nur verhängt werden, wenn eine Straftat begangen wurde, die „im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges“ stand oder „unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers“ erfolgte. Nunmehr ist jedoch die Verhängung eines Fahrverbotes prinzipiell bei jeder Straftat möglich, also auch dann, wenn kein Bezug zum Straßenverkehr vorliegt. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Hierbei steht vor allem die sog. spezialpräventive Einwirkung im Vordergrund, also quasi eine Warnung an die verurteilte Person, keine erneute Straftat zu begehen („Denkzettel-“ bzw. Besinnungsfunktion).

Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB hat das Fahrverbot keine Auswirkung auf den Bestand der Fahrerlaubnis als solcher. Nach Ablauf der Fahrverbotsfrist darf der Betroffene wieder am Straßenverkehr teilnehmen.

b) Entziehung der Fahrerlaubnis

Anders als beim vorstehend beschriebenen Fahrverbot führt die Entziehung der Fahrerlaubnis zu deren (endgültigem) Erlöschen. Um die Fahrerlaubnis nach deren Entzug wieder zu erlangen, muss diese bei der Führerscheinbehörde erneut beantragt werden (siehe hierzu Ausführungen zum Fahrerlaubnisrecht).

Das Gericht entzieht die Fahrerlaubnis, wenn eine Person wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wird,

– die sie bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder

– unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat und sich aus der Tat ergibt, dass die Person zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Wird eine Person nur deshalb nicht verurteilt, weil die Schuldunfähigkeit erwiesen ist oder nicht auszuschließen ist, entzieht das Gericht ebenfalls die Fahrerlaubnis, wenn eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt wird.

Wegen des eindeutigen Wortlauts im Gesetz (§ 69 Abs. 1 StGB) steht die Frage der Entziehung nicht im Ermessen des Gerichts, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Für den Fall, dass das Gericht die Ungeeignetheit einer Person zum Führen eines Kraftfahrzeuges feststellt, erfolgt im Hinblick auf die Entziehung auch keine weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Eine Person ist nach der Rechtsprechung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet, „wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Täters am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde“ (vgl. etwa BGH, Urt. v. 26.09.2003 – Az. 2 StR 161/03). Das Gesetz enthält in § 69 Abs. 2 StGB beispielhaft aufgezählte (verkehrsbezogene) Straftatbestände – sog. Regelbeispiele – bei denen vermutet wird, dass der Täter regelmäßig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist. Dies sind:

– Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),

– verbotene Kraftfahrzeugrennen (§ 315d),

– Trunkenheit im Verkehr (§ 316),

– unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist,

– Vollrausch (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach § 315c, § 316 oder § 142 StGB bezieht.

Ist einer der genannten Tatbestände erfüllt, kann die Vermutung der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges allerdings widerlegt werden, sofern besondere (Ausnahme-) Umstände vorliegen, die nicht auf eine Ungeeignetheit schließen lassen. Da bei der Beurteilung der Ungeeignetheit auf den Zeitpunkt der Verurteilung abzustellen ist, kann im Einzelfall eine zwischenzeitlich erfolgte erfolgreiche Teilnahme an einer Nachschulung die Vermutung der Ungeeignetheit erschüttern, sofern noch weitere positive Umstände hinzutreten.

Liegen die Voraussetzungen für eine Entziehung vor bzw. sind dringende Gründe für die Annahme hierfür vorhanden, kann das Gericht auch vor Verurteilung einer Person die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen. Bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis besteht die Möglichkeit, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von dieser Maßnahme auszunehmen, also etwa landwirtschaftliche Fahrzeuge. Voraussetzung für die Herausnahme bestimmter Arten von Kraftfahrzeugen ist, dass besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der vorläufigen Entziehung dadurch nicht gefährdet wird. Dies kann etwa der Fall sein, wenn von der herauszunehmenden Art des Kraftfahrzeuges im Grundsatz eine geringere Gefahr ausgeht.

Gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kann Beschwerde erhoben werden. Durch die Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis allerdings nicht gehemmt, das heißt, bis zu einer positiven (Abhilfe-) Entscheidung des Gerichts bleibt die vorläufige Entziehung wirksam und es darf nicht am Straßenverkehr teilgenommen werden. Eine Ausnahme gilt, wenn das Gericht die Aussetzung des Vollzuges während der Zeit, in der über die Beschwerde entschieden wird, ausdrücklich anordnet.

c) Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis

Mit dem (endgültigen) Entzug der Fahrerlaubnis bestimmt das Gericht eine sog. Sperrfrist. Innerhalb der Sperrfrist darf durch die Führerscheinbehörde keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden. Die Sperre beträgt mindestens sechs Monate und maximal fünf Jahre. Das Mindestmaß der Sperre verkürzt sich im Falle einer vorläufigen Entziehung um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war, jedoch nicht weniger als drei Monate. Grundsätzlich beginnt die Sperre erst mit der Rechtskraft des Urteils. Wird gegen ein Urteil (oder ein Strafbefehl) ein Rechtsmittel eingelegt (etwa Berufung) und war die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen, so ist die Zeit der vorläufigen Entziehung seit der Verurteilung (bzw. dem Erlass des Strafbefehls) bei der Sperre mit einzuberechnen.

Das Gericht kann – wie bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und unter denselben Voraussetzungen – von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck der Sperre dadurch nicht gefährdet wird.

Unter Umständen besteht auch die Möglichkeit die Sperre vorzeitig aufzuheben oder zu verkürzen. Voraussetzung ist, dass Grund zu der Annahme besteht, dass eine Person als nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nachgewiesen werden kann dies etwa durch die erfolgreiche Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Schulung (etwa das besondere Aufbauseminar der DEKRA „Mobil“ oder die IVT-Hö). Allerdings muss die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Schulung nicht zwingend zu einer vorzeitigen Aufhebung bzw. Sperrzeitverkürzung führen. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts, sodass (etwa im Falle rücksichtsloser Tatbegehung oder BAK) möglicherweise weitere besondere Umstände hinzutreten müssen, damit das Gericht die Sperre vorzeitig aufhebt bzw. verkürzt.