Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht

1.) Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten

Der Unterschied zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten besteht dem Grunde nach vor allem im geringeren Unrechtsgehalt der Ordnungswidrigkeiten. Verdeutlicht wird dies etwa beim Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Einfluss von Alkohol. Dies wird vom Gesetzgeber wegen der Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr grundsätzlich missbilligt. Allerdings werden Abstufungen gemacht. So liegt bei Überschreiten einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,5 Promille grundsätzlich „lediglich“ eine Ordnungswidrigkeit vor. Aus der Alkoholfahrt kann jedoch eine Straftat werden, wenn festgestellt wird, dass der Fahrer nicht in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen. Dies ist entweder der Fall bei einer BAK von 0,3 Promille und dem Hinzutreten von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen (sog. relative Fahrunsicherheit) oder – ohne das Erfordernis des Hinzutretens von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen – schlicht bei einer BAK von über 1,1 Promille (sog. absolute Fahrunsicherheit). Je nach dem Grad der Gefährdung der Verkehrssicherheit liegt also ein anderer Unrechtsgehalt vor, mit der Folge, dass die Alkoholfahrt entweder eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat darstellen kann.

Auch in den Folgen bzw. Konsequenzen unterscheiden sich die Ordnungswidrigkeiten von Straftaten. Ordnungswidrigkeiten werden geahndet, Straftaten werden bestraft. Auf dem Gebiet des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts kommt als Ahndung die Verhängung einer Geldbuße sowie unter Umständen als Nebenfolge die Anordnung eines Fahrverbots in Betracht. Weitere Folgen können sich aus den Regelungen zum Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben, also die Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister (früher: Verkehrszentralregister). Liegt eine Verkehrsordnungswidrigkeit vor, so ergibt sich die Höhe der Geldbuße, ein etwaiges Fahrverbot und die Anzahl etwaiger Punkte aus dem Bußgeldkatalog.

Die praktisch am häufigsten vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten sind:

– Geschwindigkeitsüberschreitungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 3 StVO)

– Rotlichtverstöße (§ 49 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. 37 StVO)

– Verstöße gegen die 0,5 Promille-Grenze (§ 24a StVG)

– „Handy“- Verstoß (§ 49 Abs. 1 Nr. 22 i.V.m. § 23 Abs. 1a StVO)

– falsches Halten oder Parken (§ 49 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. § 12 StVO)

– Abstandsunterschreitungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 4 StVO)

Die Höhe der Geldbuße, ein etwaiges Fahrverbot und die Anzahl etwaiger Punkte können Sie in unserem Bußgeldrechner überprüfen lassen.

2.) Ablauf des Ordnungswidrigkeiten- bzw. Bußgeldverfahrens

a) Anhörung des Betroffenen und Zeugenbefragung

Für den Betroffenen beginnt das Bußgeldverfahren meist damit, dass er von der zuständigen Bußgeldstelle einen Anhörungsbogen übersandt erhält. Darin ist zunächst die Mitteilung über die konkret zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit sowie über die vorliegenden Beweismittel (Messfoto, Zeugen etc.) enthalten, die die Begehung der Ordnungswidrigkeit beweisen sollen. Des Weiteren wird dem Betroffenen mitgeteilt, dass dieser Gelegenheit habe, sich zur Sache zu äußern und, dass eine Verpflichtung bestehe, unrichtige oder unvollständige Angaben zur Person zu berichtigen oder zu vervollständigen. Sollten im Anhörungsbogen somit unrichtige oder unvollständige Angaben zur eigenen Person festgestellt werden, sind diese durch den Betroffnen zu berichtigen. Darüber hinaus bzw. zum konkreten Vorwurf sollten jedoch keine Angaben gemacht werden. Es gilt – wie auch in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – der Grundsatz, dass zunächst Einsicht in die behördliche Akte zu nehmen ist, bevor eine Einlassung abgegeben wird.

Stellt die Bußgeldstelle etwa anhand des Messfotos fest, dass der Fahrzeugführer nicht mit dem Halter übereinstimmt, so wird ein Zeugenfragebogen an den Halter übersandt. Gleiches gilt, wenn das Fahrzeug auf ein Unternehmen angemeldet ist (Firmenwagen) und der Fahrer somit nicht anhand des Messfotos ermittelt werden kann. Es stellt sich dann die Frage, ob der Halter verpflichtet ist, Angaben zum Fahrer zu machen. Nach der Rechtsprechung trifft den Halter  grundsätzlich eine Obliegenheit, an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes, welche mit seinem Fahrzeug begangen wurde, mitzuwirken. Eine Ausnahme besteht in den Fällen, in welchen sich der Halter auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann, also etwa dann, wenn es sich bei dem Fahrer um einen Angehörigen aus der Familie des Halters oder um dessen Verlobte(n) handelt (vgl. § 52 StPO). Eine weitere Ausnahme besteht in Fällen, in welchen lediglich ein Verwarngeld, also Geldbußen zwischen 5,00 € und 55,00 €, verhängt werden soll. In diesem Fall braucht der Halter keine Angaben zu machen, wenn das Verwarngeld (fristgerecht) bezahlt wird. Kann sich der Halter nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen oder wird ein angebotenes Verwarngeld nicht bezahlt, obliegt es ihm, die Person zu nennen, an die er das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt überlassen hat. Weigert sich der Halter Angaben zu machen und war damit eine Feststellung des Fahrers nicht möglich, so kann die zuständige Behörde gegenüber dem Halter die Führung eines Fahrtenbuchs nach § 31a StVZO anordnen.

b) Erlass des Bußgeldbescheids

Ist die Bußgeldstelle nach Anhörung des Betroffenen der Auffassung, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und deren Verfolgung nicht verjährt ist, wird sie in aller Regel von ihrem nach § 47 OWiG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch machen, einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen zu erlassen.

Der Mindestinhalt des Bußgeldbescheides ergibt sich zunächst aus § 66 Abs. 1 OWiG. Hiernach sind neben den persönlichen Angaben über den Betroffenen sowie über etwaige Nebenbeteiligte und ggf. über den Verteidiger, die Beweismittel, die Geldbuße und etwaige Nebenfolgen als Mindestinhalt im Bußgeldbescheid enthalten. Darüber hinaus muss der Bußgeldbescheid die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, die Tatzeit und der Tatort sowie die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften enthalten. Es kommt immer wieder vor, dass Bußgeldbescheide formell rechtswidrig sind, weil dieser gesetzliche Mindestinhalt nicht eingehalten wird oder der Mindestinhalt fehlerhaft ist. Zwar lassen offensichtliche Irrtümer, wie etwa Rechtschreibfehler, die Wirksamkeit des Bußgeldbescheids unberührt. Anderes kann aber gelten, wenn im Bußgeldbescheid keine genügenden Feststellungen zum konkreten Tatgeschehen (Bezeichnung der Tat, Tatzeit oder Tatort) getroffenen wurden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der dem Tatvorwurf zugrunde liegende Sachverhalt sich nicht hinreichend von anderen möglichen gleichartigen Vorgängen unterscheiden lässt und mithin nicht klar erkennbar ist, welche Tat gemeint ist. Insoweit läge kein wirksamer Bußgeldbescheid vor.

Über die Mindestangaben zur Bezeichnung der Tat, der Tatzeit, des Tatortes, der gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und der angewendeten Bußgeldvorschriften sowie der Beweismittel braucht der Bußgeldbescheid im Übrigen keine weitere Begründung zu enthalten.

Der Bußgeldbescheid hat unter anderem nach § 66 Abs. 2 OWiG ferner die Hinweise zu enthalten, dass dieser rechtskräftig und vollstreckbar wird, wenn kein formgerechter und rechtzeitiger Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt wird sowie, dass bei einem Einspruch auch eine für den Betroffenen nachteiligere Entscheidung getroffen werden kann.

c) Einspruch gegen den Bußgeldbescheid

Um zu vermeiden, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig und vollstreckbar wird, muss gegen diesen innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, Einspruch eingelegt werden.

Ist der Einspruch nicht rechtzeitig oder formgerecht oder sonst unwirksam eingelegt worden, verwirft die Verwaltungsbehörde diesen als unzulässig. Gegen diesen Verwerfungsbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Verwerfungsbescheides ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. Dann entscheidet das zuständige Amtsgericht darüber, ob der Einspruch zulässigerweise verworfen wurde oder nicht.

Wird der Einspruch rechtzeitig eingelegt, prüft die Verwaltungsbehörde, ob sie den Bußgeldbescheid aufrechterhält oder zurücknimmt. Für die Wirksamkeit des Einspruchs ist es nicht erforderlich, dass dieser durch den Betroffenen begründet wird. Vielmehr steht es dem Betroffenen frei, seinen Einspruch zu begründen und ggf. mit Beweismitteln zu versehen. Aufgrund des Hinweises im Bußgeldbescheid, dass im Falle eines Einspruches auch eine für den Betroffenen nachteiligere Entscheidung getroffen werden kann, das sog. Verschlechterungsverbot oder Verbot der reformatio in peius also nicht gilt, sollte vor dem Einspruch geprüft werden, ob die Gefahr der Verschlechterung besteht. Nimmt die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid zurück oder stellt sie das Verfahren ein, ist dieses beendet. Hält sie den Bußgeldbescheid aufrecht, übersendet sie die Akte an die zuständige Amts- oder Staatsanwaltschaft, die das Verfahren auf „Behördenseite“ übernimmt und weiterführt. Die Amts- oder Staatsanwaltschaft legt die Akte sodann dem zuständigen Richter beim Amtsgericht vor, sofern sie keine weiteren eigenen Ermittlungen durchführt oder wenn sie das Verfahren nicht einstellt.

Für das weitere Verfahren vor dem Amtsgericht (sog. Hauptverfahren) stehen zwei Möglichkeiten offen: Hält das Gericht eine Hauptverhandlung für nicht erforderlich, kann es mit Zustimmung der Amts- oder Staatsanwaltschaft schriftlich durch Beschluss entscheiden. Ein Gerichtstermin findet dann nicht statt. Meist wird das Gericht jedoch einen Termin zur Hauptverhandlung bestimmen, in welchem über den Bußgeldbescheid bzw. den Tatvorwurf entschieden wird.

Grundsätzlich ist der Betroffene zum Erscheinen verpflichtet. Soll allerdings nicht bestritten werden, dass der Betroffene der Fahrer war, kann, wenn die Fahrereigenschaft gegenüber dem Gericht eingeräumt wird, der Betroffene vom Gericht von seiner Erscheinungspflicht zum Gerichtstermin entbunden werden, wenn der Betroffene dies wünscht. Wird dies vom Verteidiger (unter Einräumung der Fahrereigenschaft) beantragt, muss das Gericht den Betroffenen entbinden. In diesem Fall braucht der Betroffene also nicht zum Gerichtstermin erscheinen. Er wird von seinem Verteidiger vertreten.

3.) Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Verteidigung

Die möglichen Angriffspunkte gegen einen Bußgeldbescheid sind vielfältig. Die Vorgehensweise hängt vor allem von dem konkreten Tatvorwurf und dem konkreten Beweismittel ab.

Zunächst ist der Bußgeldbescheid dahingehend zu prüfen, ob nicht bereits eine Verjährung eingetreten ist. Die Verfolgungsverjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten beträgt grundsätzlich lediglich drei Monate, solange der Bußgeldbescheid noch nicht ergangen oder öffentliche Klage erhoben ist. Ist ein Bußgeldbescheid ergangen oder öffentliche Klage erhoben, beträgt die Verjährungsfrist sechs Monate, vgl. § 26 Abs. 3 StVG. Bei der Prüfung der Verjährung sind insbesondere die Hemmungstatbestände nach §§ 33 f. OWiG zu beachten.

Des Weiteren ist der Bußgeldbescheid auf formale Fehler zu prüfen. Wie bereits oben beschrieben, können insbesondere Mängel in der Feststellung zum konkreten Tatgeschehen (Mängel in der sog. Umgrenzung) zur Unwirksamkeit führen. Werden dem Betroffenen mehrere Verstöße zur Last gelegt, wird von der Verwaltungsbehörde immer wieder zu unrecht Tatmehrheit statt Tateinheit angenommen, sodass ggf. auch hierauf ein besonderes Augenmerk zu legen ist.

Wurde ein Verkehrsverstoß etwa durch die Beobachtung eines Polizeibeamten festgestellt und zur Anzeige gebracht, so kommt der Aussage des Polizeibeamten maßgebliche Bedeutung zu. Da die Schilderungen des Beamten das Gericht davon überzeugen müssen, dass der vorgeworfene Verkehrsverstoß tatsächlich vom Betroffenen begangen wurde, ist die „Qualität der Aussage“ von entscheidender Bedeutung. Insbesondere wenn bereits einige Zeit vergangen ist und der Polizeibeamte wenige Details in seiner Anzeige vermerkt hat, stehen die Chancen oftmals gut, dass Erinnerungen an den Vorfall bereits verblasst sind. Auch eine „geschickte“ Befragung durch die Verteidigung kann Widersprüche oder „offene Fragen“ in der Aussage hervortreten lassen. Entstehen dadurch Zweifel am Tatvorwurf, muss das Gericht den Betroffenen freisprechen oder zumindest das Verfahren einstellen.

Wurde mithilfe eines Messgeräts eine Verkehrsordnungswidrigkeit festgestellt, sind in Bezug auf das jeweils eingesetzte Messgerät ebenfalls die Formalien zu prüfen. So muss etwa der Beamte, der eine Geschwindigkeits-, Rotlicht- oder Abstandsmessung mit einem Messgerät durchgeführt hat, an dem jeweiligen Gerätetyp geschult worden sein. Dies ist durch eine Schulungsbescheinigung zu belegen. Auch muss das Gerät zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht gewesen sein. Dies ist durch einen Eichschein von der Verwaltungsbehörde nachzuweisen.

Ob die Messung als solche fehlerhaft war, ist anhand des jeweils eingesetzten Messgerätes zu prüfen. Die Verwaltungsbehörden arbeiten mit Messgeräten unterschiedlicher Hersteller mit unterschiedlicher Funktionsweise. So gibt es zur Messung von Geschwindigkeitsverstößen etwa Messgeräte, die mit Laserstrahlen messen (etwa POLISCAN speed, Riegl FG 21-P, LEIVTEC XV3, LaserPatrol, LAVEG etc.), radarbasierte Messgeräte (z.B. TRAFFIPAX SpeedoPhot, Multanova 6F), Messgeräte, deren Sensoren auf Helligkeitsunterschiede reagieren (etwa ESO ES 3.0), Messgeräte, die mithilfe von Fahrbahnsensoren messen (etwa Truvelo M4 oder TRAFFIPAX TraffiPhot S) sowie Systeme, die in Polizeifahrzeugen eingebaut sind und die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ermöglichen und dabei den Betroffenen durch eine Videokamera aufnehmen (etwa ViDistA oder ProViDa). Bei der Messung von Rotlichtverstößen kommen ebenfalls unterschiedliche Systeme zur Anwendung, so z.B. das auf Induktionsschleifen basierende Gerät der Firma Jenoptik Traffipax TraffiPhot III oder das mit Laserstrahlen messende Gerät POLISCAN REDLIGHT/ RED + Speed. Abstandmessungen werden schließlich meist durch videogestützte Messgeräte durchgeführt (etwa VKS 3.1, VAMA oder ViBrAM).

Streitig ist bei einigen Messgeräten, ob es sich um sog. standardisierte Messverfahren handelt, also um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Die Qualifizierung als standardisiertes Messverfahren hat zur Folge, dass das Gericht bei der Frage der Richtigkeit der Messung sich hinsichtlich der notwendigen Feststellungen im Urteil auf die Bezeichnung des gewählten Messverfahrens und des Messergebnisses beschränken kann. Das heißt, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für einer fehlerhafte Messung vorliegen, ist das Gericht grundsätzlich nicht gehalten, die (technische) Richtigkeit der Messung etwa durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen, sondern es kann aufgrund der „Standardisiertheit“ des Messverfahrens von der Richtigkeit der Messung ausgehen. Daher kann es unter Umständen für eine erfolgreiche Verteidigung notwendig werden, zunächst ein privates Sachverständigengutachten einzuholen, um die Messung in technischer Hinsicht überprüfen zu lassen und Auffälligkeiten zu erkennen, sodass dem Gericht im Anschluss ggf. konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorgetragen werden können. Rechtsschutzversicherungen, die auch den Bereich Verkehr abdecken, übernehmen regelmäßig die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens.

Ansatzpunkt einer erfolgreichen Verteidigung kann bei Messungen mit bestimmten Messgeräten auch die Berufung auf einen Verstoß gegen ein faires Verfahren sein. Einige Messgeräte, wie etwa die Geräte TraffiStar S350 oder dem LEIVTEC XV3, lassen zwar noch eine sog. Plausibilitätsprüfung (durch einen Sachverständigen) zu, nicht aber eine genaue Überprüfung der Messung, da nicht sämtliche sog. Rohmessdaten gespeichert bzw. die Rohmessdaten ohne Notwendigkeit nach der Messung wieder gelöscht werden. Daher wird dem Betroffnen in diesen Fällen eine umfassende nachträgliche Überprüfung und mithin eine Verteidigung unmöglich gemacht, sodass ein Verstoß gegen ein faires Verfahren vorliegt, so etwa der Verfassungsgerichtshof des Landes Saarland mit Urteil vom 05.07.2019 – Az. Lv 7/17 zu TraffiStar S 350 oder AG St. Ingbert mit Urteil vom 26.04.2017 – Az. 2 Owi 379/16 zu LEIVTEC XV3.

Wird im Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt, so muss dies mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Es kann nur bei grobem oder beharrlichem Pflichtverstoß verhängt werden. Zwar indizieren die Fahrverbotstatbestände im Bußgeldkatalog das Vorliegen eines groben oder beharrlichen Pflichtverstoßes. Allerdings sind immer auch die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung erfordert die Annahme eines groben Pflichtverstoßes unter anderem, dass der Fahrer in subjektiver Hinsicht besonders verantwortungslos gehandelt hat. Hieran fehlt es bei lediglich leichter Fahrlässigkeit, etwa im Falle eines Augenblickversagens. Liegt lediglich ein Augenblickversagen vor, also die lediglich sehr kurze und unwillentliche Außerachtlassung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt bei ansonsten konzentriertem Handeln, kann die Verhängung eines Fahrverbots unverhältnismäßig sein.

Von einem Fahrverbot kann schließlich auch abgesehen werden, wenn ein Fall der besonderen Härte vorliegt. In diesem Fall erfolgt jedoch eine sog. Kompensation, das heißt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV wird die Geldbuße angemessen erhöht. Eine besondere Härte liegt jedoch nur vor, wenn die Folgen des Fahrverbotes für den Betroffenen unzumutbar sind, sodass die Anordnung des Fahrverbots als unverhältnismäßig erscheint. Entscheidend sind hierbei die Umstände des Einzelfalls. Bloße Unannehmlichkeiten, wie etwa Zeitverluste beim Weg zur Arbeit, sind grundsätzlich unerheblich, da die mit dem Fahrverbot verfolgte Erziehung des Fahrers durch Beeinträchtigungen dieser Art gerade erzielt werden können. „Klassische“ Umstände, die zu einer besonderen Härte führen können, sind hingegen ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder die sonstige Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen. Allerdings müssen die Umstände konkret dargelegt und nachgewiesen werden, zum Beispiel zumindest durch ein Schreiben des Arbeitgebers, unter Umständen auch durch eine persönliche (Zeugen-) Aussage des Arbeitgebers vor Gericht. Hierbei ist regelmäßig auch zu erklären, weshalb nicht für die Zeit des Fahrverbotes Urlaub in Anspruch genommen werden kann.