Fahrerlaubnisrecht

 1.) Erteilung der Fahrerlaubnis

Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf der Fahrerlaubnis. Sie wird in bestimmten Klassen erteilt. Zum Nachweis der Fahrerlaubnis wird eine amtliche Bescheinigung, der Führerschein, erstellt.

Voraussetzung der Erteilung einer Fahrerlaubnis ist in formeller Hinsicht eine Antragstellung bei der Fahrerlaubnisbehörde. Diese prüft, ob der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und das erforderliche Mindestalter für die beantragte Fahrerlaubnisklasse erreicht hat, zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, durch eine Fahrschule ausgebildet wurde, die theoretische und praktische Fahrprüfung nachweislich bestanden hat und schließlich – als Negativvoraussetzung – nicht bereits eine Fahrerlaubnis aus einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder aus einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in derselben Fahrerlaubnisklasse besitzt (vgl. § 2 Abs. 2 StVG). Liegen sämtliche Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Fahrerlaubnis.

Die in der Praxis bedeutendste und zugleich problemträchtigste Voraussetzung ist die Frage der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach § 2 Abs. 4 StVG ist geeignet zum führen von Kraftfahrzeugen, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen (charakterliche Eignung) hat. Die notwendigen körperlichen Anforderungen sind zum Beispiel nicht erfüllt, bei akuten psychischen Störungen, bei Herzrhythmusstörungen mit anfallsweiser Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit, bei Alkoholmissbrauch, bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis, bei schwerer Niereninsuffizienz mit erheblicher Beeinträchtigung, bei messbarer auffälliger Tagesschläfrigkeit oder bei schweren Lungen- und Bronchialerkrankungen mit schweren Rückwirkungen auf die Herz-Kreislauf-Dynamik. Die notwendigen geistigen Anforderungen können etwa im Falle einer schweren Altersdemenz, bei affektiven Psychosen oder geistigen Behinderungen nicht gegeben sein. An der charakterlichen Eignung kann es schließlich fehlen, wenn beispielsweise innerhalb von gut zwei Jahren 138 Parkverstöße begangen wurden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.03.2007 – Az. 5 S 22.07).

Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Voraussetzungen der Eignung nicht nur bei Antragstellung auf Erteilung einer Fahrerlaubnis zu prüfen. Werden nachträglich Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung oder Befähigung begründen, kann etwa angeordnet werden, dass ein Gutachten oder Zeugnis eines Fach- oder Amtsarztes (sog. medizinisch-psychologisches Gutachten, kurz: MPU) vorgelegt wird. Kommt der Fahrerlaubnisinhaber einer Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens nicht nach, wird die Fahrerlaubnisbehörde von der Ungeeignetheit ausgehen und die Fahrerlaubnis entziehen. Da es sich bei der Anordnung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine vorbereitende (Aufklärungs-) Maßnahme handelt, ist die Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht anfechtbar. Ob diese Anordnung rechtmäßig erfolgte, wird im Rahmen einer Anfechtung des Entzugs der Fahrerlaubnis geprüft.

2.) Fahrerlaubnis auf Probe

Wird die Fahrerlaubnis erstmals erteilt, besteht ab dem Zeitpunkt der Erteilung zunächst eine zweijährige Probezeit. Wird einem Fahrerlaubnisinhaber während der Probezeit die Fahrerlaubnis entzogen, so endet die Probezeit vorzeitig. Bei Wiedererteilung der Fahrerlaubnis beginnt dann eine neue Probezeit, allerdings nur im Umfang der Restdauer der vorherigen Probezeit.

Verstößt ein Fahrerlaubnisinhaber während der Probezeit gegen verkehrsrechtliche Vorschriften und ergeht deshalb eine rechtskräftige Entscheidung wegen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat, die im Fahreignungsregister eingetragen wird, so ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar an, wenn es sich bei dem Verstoß um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung handelt oder wenn zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen vorliegen. Wann eine Zuwiderhandlung schwerwiegend oder weniger schwerwiegend ist, ergibt sich aus Anlage 12 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Eine schwerwiegende Zuwiderhandlung liegt etwa vor bei Rotlichtverstößen oder Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 20 km/h. Die Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar hat zur Folge, dass sich die Probezeit um zwei Jahre verlängert.

Begeht der Fahrerlaubnisinhaber während der Probezeit eine weitere schwerwiegende Zuwiderhandlung oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen, so wird dieser von der Fahrerlaubnisbehörde schriftlich verwarnt und ihm nahegelegt, innerhalb von zwei Monaten an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Nimmt der Betroffene an einer verkehrspsychologischen Beratung nicht teil, hat dies jedoch keine Konsequenzen.

Sollte der Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der vorgenannten Frist von zwei Monaten noch eine weitere eine schwerwiegende oder weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen haben, so entzieht die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis.

3.) Fahreignungs-Bewertungssystem

Das Fahreignungs-Bewertungssystem (früher: Punktesystem) dient dem Schutz von Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen.

Verstöße gegen bestimmte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten werden im Fahreignungs-Bewertungssystem mit Punkten bewertet. Je nach Kategorie kann der Verstoße mit einem oder mit bis zu drei Punkten bewertet werden. Für welche Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten wieviel Punkte verhängt werden, ergibt sich aus Anlage 13 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Für Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts gilt etwa, dass bis zu einer Überschreitung von 20 km/h keine Punkte, ab 21 km/h bis 30 km/h ein Punkt und ab 31 km/h zwei Punkte verhängt werden. Bei Rotlichtverstößen gilt: bei einem Rotlichtverstoß mit bis zu einer Sekunde Rotlicht wird ein Punkt, bei einem Rotlichtverstoß von über einer Sekunde werden zwei Punkte verhängt.

Je nach Punktestand werden von der Fahrerlaubnisbehörde gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen ergriffen:

– ergeben sich vier oder fünf Punkte, wird der Inhaber der Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich ermahnt,

– ergeben sich sechs oder sieben Punkte, wird der Inhaber der Fahrerlaubnis beim Erreichen eines dieser Punktestände schriftlich verwarnt,

– ergeben sich acht oder mehr Punkte, gilt der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis wird entzogen.

Sowohl bei der Ermahnung (wegen des Erreichens von vier oder fünf Punkten) als auch bei der Verwarnung (wegen des Erreichens von sechs oder sieben Punkten) wird der Fahrerlaubnisinhaber auf die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar hingewiesen. Jedoch nur im Falle eines Punktestandes zwischen vier oder fünf Punkten erfolgt bei Teilnahme an einem Fahreignungsseminar ein Abzug von einem Punkt, nicht hingegen bei sechs oder sieben Punkten. Ein Abbau von Punkten bei einem Punktestand von sechs oder sieben Punkten ist nicht möglich.

Für die Frage, welche Maßnahme (Ermahnung, Verwarnung oder Entzug) die Fahrerlaubnisbehörde zu ergreifen hat, ist das sog. Tattagprinzip entscheidend und nicht etwa der Tag der Rechtskraft der Entscheidung. Dies hat etwa zur Konsequenz, dass, im Falle eines Punktestandes von sieben Punkten ein weiterer punktebewehrter Verkehrsverstoß hinzutritt, auch dann ein Entzug der Fahrerlaubnis wegen des Erreichens von acht Punkten droht, wenn wegen eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des letzten Verkehrsverstoßes erst zu einem späteren Zeitpunkt Rechtskraft eintritt und währenddessen ältere Punkte getilgt wurden.

Die im Fahreignungsregister gespeicherten Punkte werden nach einer bestimmten Zeit getilgt. Wann Punkte getilgt werden, hängt davon ab, welcher Verstoß dem Punkt bzw. den Punkten zugrunde liegt. Folgende Tilgungsfristen sind vorgesehen:

– bei Verstößen, die mit einem Punkt bewertet werden, beträgt die Tilgungsfrist zwei Jahre und sechs Monate.

– bei Verstößen, die mit zwei Punkten bewertet werden, beträgt die Tilgungsfrist fünf Jahre.

– bei Verstößen, die mit drei Punkten bewertet werden – also bei Straftaten mit Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. mit Anordnung einer isolierten Sperre – beträgt die Tilgungsfrist zehn Jahre.

Die Tilgungsfrist beginnt grundsätzlich erst mit der Rechtskraft bzw. Unanfechtbarkeit einer Entscheidung (vgl. § 29 Abs. 4 StVG). Im Gegensatz zur früheren (bis 30.04.2014) Rechtslage werden die Tilgungsfristen nicht gehemmt, wenn neue Punkte hinzutreten. Jeder Punkt ist im Hinblick auf die Tilgungsfrist für sich zu betrachten. Eine Besonderheit besteht schließlich bei Verstößen in der Probezeit. Da die Anordnung eines Aufbauseminars die Probezeit um zwei Jahre verlängert, findet eine Löschung von Punkten trotz Erreichens der Tilgungsfrist während der Probezeit nicht statt.

4.) Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung

Die Wiedererteilung bzw. Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung richtet sich grundsätzlich nach dem Verfahren und den Vorschriften für die erstmalige Erteilung einer Fahrerlaubnis. Es ist somit ein Antrag bei der Fahrerlaubnisbehörde zu stellen. Empfehlenswert ist, dass der Antrag etwa drei bis vier Monate vor Ablauf der Sperrfrist gestellt wird. Eine erneute Fahrerlaubnisprüfung (ugs. Führerscheinprüfung) ist grundsätzlich nicht erforderlich, es sei denn, es liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hat die Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an der Eignung des Bewerbers, kann zur Ausräumung der Zweifel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) angeordnet werden. Grundsätzlich steht dies im pflichtgemäßen Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Wurde dem Bewerber die Fahrerlaubnis wegen eines Verstoßes entzogen, bei dem eine BAK von 1,6 Promille oder mehr festgestellt wurde, ist die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zwingend (§ 13 Nr. 2 FeV). Gleiches gilt, wenn die Fahrerlaubnis wegen Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG oder wegen Abhängigkeit von anderen psychoaktiven Stoffen oder wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG entzogen wurde (§ 14 Abs. 1 FeV).